Mailand - Lyon Tag 6

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Tag sechs, Lyon, 06.06.2015

 

Unser Hotel Bayard liegt sehr zentral direkt an der wirklich großen (310x200 m) Place Bellecour, in deren Mitte Ludwig XIV reitet. Es ist ein altes  3*-Haus im 1. Stock mit kleinem Zimmer, sehr kleinem Bad und noch kleinerer Dusche (etwa 60x65 cm). Die Räder heben wir über mein Bett, damit wir sie in einer Art Loggia, die von meinem Zimmer auf einen Innenhof geht, abstellen können. Es ist trotzdem das teuerste Quartier auf der Reise, eben Großstadt und zentral. Aber  wenigstens das Frühstück ist gut und die Bedienung, eine finnische Studentin, nett!

 

Für das Abendessen folgen wir einer Empfehlung des Hotelportiers, der uns ein Bouchon, eine traditionelle Lyoner Gaststätte mit typischer Küche, gar nicht weit vom Hotel empfiehlt. Natürlich sind wir zuerst misstrauisch, handelt es sich doch um ein Lokal in einer Gasse, in der buchstäblich in jedem Haus eine Gaststätte untergebracht ist. Die meisten scheinen gut besucht zu sein und es wimmelt von Touristen.

 

Mangels einer echten Alternative – wir kennen ja keines der Lokale – folgen wir der Empfehlung und wir bekommen nach kurzem Warten einen Platz an einem Mitteltisch. Links von uns ein schickes bulgarisches Paar, der Mann nimmt an einem großen Ärztekongress teil; rechts Franzosen, mit denen wir aber nicht ins Gespräch kommen. Unsere Nachbarn gehen bald und wir haben nun links Korsen, die seit einem Jahr in Lyon leben und rechts einen jungen Mann aus der Normandie mit seiner hübschen schwarzen Freundin, die aus Montpellier stammt. Alle versichern uns, eine gute Wahl getroffen zu haben, es sei das einzige Lokal in der Straße, in das man gehen könne. Wir haben noch einen recht unterhaltsamen Abend, wozu auch die Wirtin beiträgt, die über einen deftigen Bouchon-Humor verfügt. Schlussendlich sind wir auch am nächsten Abend noch einmal dort hin zum Abendessen gegangen.

 

Natürlich halten wir uns an die typischen Gerichte wie Würste, Saladier lyonnais (mit Hering, Hühnerleber und Ei), Kalbskopf, Andouillette (eine Wurst aus Innereien, Kutteln und Fleisch) oder Quenelles (Klöße aus Mehl, Milch, Ei und Fisch). Deftig, aber dafür ist die Lyoner Küche bekannt!

 

Am Samstag wache ich schon kurz nach 7 Uhr auf und mache mich gleich auf zu einem Fotospaziergang. Es ist noch angenehm, obwohl in der Sonne schon die kommende Hitze spürbar ist. Die Place Bellecour ist noch fast menschenleer und ich spaziere zur Saône, an deren Ufer gerade der Lebensmittelmarkt aufgebaut wird. Auf meinem ausgedehnten Streifzug quer durch die Halbinsel bis zur Rhône entdecke ich auch den über und über mit Plastikrosen geschmückten Brunnen auf der Place des Jacobins, bevor ich gegen 10 Uhr ins Hotel zurückkehre.

 

Nach dem Frühstück starten wir zu Fuß Richtung Norden und entdecken spazierend die Stadt, obwohl es inzwischen schon wieder sehr heiß ist. Die Opéra National, die von Jean Nouvel restauriert und mit einer schwarzen Haube versehen wurde; das Rathaus mit dem großen Platz davor; der Innenhof des Musée des Beaux-Arts, der mit etwas Grün und verschiedenen Skulpturen zum Verschnaufen einlädt;  La Fresque des Lyonnais, eines von mehreren Häusern mit Wandmalereien.

 

Den Hügel von La Croix-Rousse, dem früheren Viertel der Seidenweber geht es über  die Montée de la Grande-Cote, eine lange Treppe bzw. Rampe hinauf, die von netten Geschäften, Galerien und Lokalen gesäumt ist. Der Lebensmittelmarkt am Plateau des Hügels wird schon abgebaut, die Flohmarkthändler sind aber noch da und Alois findet einige Schätze für seine Sammlung gelber Modellautos, darunter einen wunderschönen Citroen Wellblech-Kastenwagen mit einem Michelin-Männchen als Galionsfigur. Oder heißt das dann Gallionsfigur, wir sind schließlich in Frankreich!

 

Am Rückweg passierten wir eine Traboule, einen der für Lyon typischen Durchgänge, der von Innenhof zu Innenhof Häuser bis zur nächsten Parallelstraße durchquert und dabei oft einen Höhenunterschied von mehreren Stockwerken überwindet. Dadurch hat man sich früher in der engen Altstadt die Quergassen erspart und war außerdem vor der Witterung geschützt, was beim Transport der Seidenballen vor Vorteil war. Während des Zweiten Weltkrieges soll sich die Résistance dieser Durchgänge bedient haben, da sie auf keinen Karten verzeichnet sind. Rund 400 davon soll es geben, die aber nicht alle öffentlich zugänglich sind.

 

Wir marschieren auch den ganzen Weg zurück wieder zu Fuß, vorbei an manchem mehr oder weniger kunstvoll verziertem Haus, passieren ein Stadtteilfest, sind mit dem Programm aber noch immer nicht am Ende! Schließlich „müssen“ wir noch hinauf zur Kathedrale, der Basilique Notre-Dame de Fourvière, die über dem Ufer der Saône die Stadt überblickt.

 

Aufwärts nehmen wir die Funiculaire. Die Kathedrale hat schon geschlossen, aber von dort oben hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt: Direkt darunter befindet sich Vieux Lyon, der älteste Teil Lyons, dahinter die Halbinsel zwischen Saône und Rhone, auf der wir uns  den ganzen Tag aufgehalten haben und danach der neuere Teil mit dem Bahnhof und einigen auffälligen Hochhäusern. Man sieht aber auch darüber hinaus ins Grüne und zu Satellitenstädten weit außerhalb.

 

Hinunter gehen wir zu Fuß, da wir hoffen, dass es ein netter Spaziergang sein wird. Es ist aber wenig spektakulär, eher öde und teilweise heruntergekommen. Das „alte Lyon“ hatten wir uns ebenfalls gemütlicher vorgestellt. Wir kommen bald auf einen länglichen Platz, der auf beiden Seiten eng mit Tischen vollgestellt ist, an denen gefühlt 1000 Touristen sitzen und essen oder darauf warten, abgespeist zu werden. Dazwischen drängen sich die Kellner zwischen den Passanten. Wir flüchten rasch wieder „auf die Insel“ und in „unser Bouchon“ wo uns die Wirtin sofort wiedererkennt und uns freundlich und mit einem Scherz begrüßt.

 

Am Sonntag, unserem Abreisetag, erkunden wir nach dem Frühstück noch den Teil südlich der Place Bellcour bis zur Place Carnot. Es ist ein schönes Einkaufs- und Wohnviertel mit Geschäften aller Art: Textilien, Schuhe, viele Antiquitäten, Kunst, Möbel und Dekoration etc.

 

An drei Seiten der Place Carnot finden drei Märkte mit unterschiedlichem Sortiment statt: An der Nordseite gibt es Lebensmittel: Obst, Gemüse, Wurstwaren, Käse, Brot, aber auch fertige Speisen wie Grillhendl oder große Pfannen mit Bratkartoffeln oder Paella. Hier besorgen wir Würste und Käse für zuhause. Im Osten findet man billige Textilien und Schuhe, Schmuck, Haushaltswaren und etwas Elektronik. Und an der Westseite werden Hunde, Welpen aber auch ausgewachsene, sowie Hundezubehör verkauft. Kunden gibt es für alles.

 

Wir haben Lyon als eine lebhafte Stadt mit vielen jungen Menschen – es gibt mehrere Universitäten und Hochschulen – und auch recht vielen Touristen kennengelernt. Aber der eine Tag, den wir zur Verfügung hatten, war eindeutig zu wenig, es gibt noch viel zu entdecken. Es war schön, au revoir!

 

Nach dem Mittagessen holen wir unsere Drahtesel und das Gepäck aus dem Hotel und fahren zum Bahnhof. Dort werden die Räder wieder teilweise zerlegt und verpackt – mittlerweile haben wir schon beinahe Routine – bevor wir sie auf den Bahnsteig bringen. Das erste Teilstück geht bis Mulhouse im Elsass und wir sind gespannt, wie der Transport im TGV funktionieren wird.

 

Als die Durchsage kommt, dass der Zug Verspätung hat, werden wir etwas nervös, denn die Umsteigezeiten sind knapp bemessen. Sowohl in Mulhouse als auch später in Zürich haben wir nur jeweils rund zehn Minuten. Wir haben es schließlich geschafft, wenn auch mit Hängen und Würgen, nein, Rennen und Schwitzen.

 

Für die Räder ist im Gepäckabteil am Waggonende nicht viel Platz, sie lehnen halb im Durchgang, sodass einer von uns beiden meist dabei sein muss, damit sie nicht umfallen. Es hat sich aber niemand darüber wirklich aufgeregt. Auch das Schlafwagenabteil von Zürich nach Graz ist wie versprochen geräumiger als jenes nach Mailand, auch wenn mit den beiden Rädern drin nicht mehr viel Platz für uns bleibt. Reisen mit dem Rad in Fernzügen ist also möglich, es ist aber eine Schlepperei und sicher nicht bequem. Da gibt es noch Potential für die Bahngesellschaften.